Mitte August ging die Geschichte vom Kassaschluss einer Grazer Trafik durch die Medien. Wir haben mit dem überfallenen Trafikanten gesprochen.
Marco Koller ist erst seit dem 1. August dieses Jahres Trafikant. Und schon acht Tage später stand der Serienräuber in seinem Geschäft. „Früher war ich Polier, was aber nach meinem Unfall nicht mehr gegangen ist. Die Idee, Trafikant zu werden, kam von meiner Frau, die ich in der Reha kennengelernt habe. Sie hat zwölf Jahre in einer Trafik gearbeitet. Ihretwegen bin ich als Burgenländer ja überhaupt nach Graz gekommen.“
Ein stressiger Tag
Schon die Zeit vor dem Überfall war nicht gerade entspannt, wie der Jungtrafikant erzählt: „Die Automaten haben Probleme gemacht und die Bankomatkassa lief auch nicht. Eigentlich bin ich bis zum späten Nachmittag dauernd am Telefon gehangen. Den Überfall habe ich am Anfang gar nicht mitbekommen, weil ich mit meiner Frau im Büro war und das Warenlager eingebucht habe. Auf einmal hat meine Mitarbeiterin gerufen: ‚Chef, das ist ein Überfall!‘ Zuerst habe ich noch gedacht, da macht ein Ex-Kollege einen blöden Witz. Und dann habe ich schon die Waffe gesehen.“
Die Chance ergriffen
Der Täter wollte, was alle Kriminellen möchten: Schnellstmöglich mit der Beute abhauen. Als aber Mitarbeiterin Brigitte dem verdutzten Räuber erklärt, dass sie die Kassalade nicht aufbekommt, reagiert der Trafikant schnell und sagt ganz ruhig: „Jetzt isses sechse, da ist Kassaschluss, da losst uns des System nimmer eine. Da hättest früher kommen miassen! Tuat ma lad.“
Der sichtlich ratlose Täter steckt daraufhin die Waffe weg und geht. Dreht aber in der Tür nochmals um und sagt: „Ihr zeigt’s mich eh nicht an, gell?“ Was vom Trafikanten versichert wird.
Cool geblieben
„Ich habe gar keine Zeit gehabt, Angst zu haben“, erzählt Koller von der Situation. „Vielleicht hat mir da geholfen, dass es auf Baustellen bei Problemen ja auch nichts bringt, kopflos zu werden. Am wichtigsten war mir, dass der Räuber die Waffe von meiner Mitarbeiterin weghält. Das hat er dann ja auch gemacht. Und die ganze Situation konnte nur so ausgehen, weil der Täter und wir immer ruhig geblieben sind.“ Die Kassalade hätte er nur mit viel Kraft und Zeitaufwand aufbekommen. „Ich habe ihn ja sogar dazu aufgefordert, es selbst zu versuchen. Aber wenn ich eine Gefahr für die Brigitte oder mich gesehen hätte, hätte ich ihm das Geld sofort selbst gegeben – es ist ja eh versichert.“
Gemischte Reaktionen
„Es haben mich ein paar aus der Gegend und einige Bekannte aus der Trafikakademie angerufen und haben es gut gefunden, wie ich reagiert habe. Der Gerhard hat gemeint, ich hätte mich genauso verhalten, wie er mich in der Akademie kennengelernt hat“, lacht der Trafikant.
Wenn er sich unfair behandelt fühlt, vergeht Marco Koller der Spaß aber ganz schnell: „In der Trafikakademie wird das Thema Kriminalität ja behandelt: Man soll dem Täter so schnell wie möglich das Geld geben, damit die gefährliche Situation rasch vorbei ist. Insofern habe ich mich „falsch“ verhalten. Aber mit Theorie kann man niemanden auf die konkrete Situation vorbereiten; das hat mir auch ein Polizist bestätigt. Wenn dann Schulungsleiter oder Medien mein Verhalten kritisieren, finde ich das ziemlich unfair. Mit einem Journalisten habe ich drei Stunden telefoniert und der hat dann auch eine Richtigstellung gebracht. Nachdem er gemeint hat ‚Gell, Sie lassen sich echt nichts gefallen?‘“
Die Lehren aus dem Überfall
Auf die Frage, ob er sich noch einmal so verhalten würde, meint der Trafikant: „Ja, sicher. Wenn die Situation genauso läuft.“ Man müsse ja ohnehin immer passend auf die konkrete Situation reagieren.
Für Marco Koller gibt es aber auch noch einen weitere Lerneffekt nach dem überstandenen Überfall: wie hilfreich eine gute Videoüberwachung sein kann. Der inzwischen gefasste Täter hatte mit einer täuschend echt wirkenden Spielzeugwaffe fünf Überfälle auf Wettbüros, Tankstellen und Trafiken verübt – doch erst in der Trafik Koller waren Bild- und Tonaufzeichnungen gut genug, um den Täter identifizieren zu können.