Die zentralisierte Sammlung und Verifizierung standardisierter Produktinformationen soll mehr Sicherheit in Warenwirtschaft und Kassen bringen. Wir haben die MVG als zentrale Stelle sowie die Kassenhersteller dazu befragt. Grafik: MVG
Fragen an die MVG
Was darf man sich unter dem Zentralen Artikelstamm (ZAS) vorstellen – eine vereinheitlichte Datenbank-Struktur, die für sämtliche Großhändler und Kassensysteme gilt?
Hannes Hofer: Im Prinzip ja. Die Grundlage sind die Meldeverpflichtung der Großhändler, Umsätze und Spannen an die MVG zu melden, sowie die Preiskundmachungen mindestens fünf Tage vor Änderung. Die Herausforderung dabei ist, dass die Kassenhersteller ihre Änderungen bisher auf Basis der Meldungen des Großhandels einspielten – und das mit jeweils unterschiedlicher Struktur und Qualität.
Seit wann und mit wem wird an diesem Thema gearbeitet? Mit welchen Zielen?
HH: Trafikant*innen, Kassenhersteller und Großhandel wollten eine zentrale Lösung. Die Idee ist schon sehr alt.
Johann Scherzer (bei der MVG für den ZAS verantwortlich): Das begann eigentlich schon zu einer Zeit, als es noch nicht diese Vielfalt von Großhändlern gab. Wirklich aufgesetzt wurde das Projekt aber in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Die Herausforderung liegt im Organisatorischen – die Großhändler also dazu zu bekommen, einen gemeinsamen Standard zu finden.
HH: Die Standards wurden deshalb gemeinsam festgelegt. Dabei haben wir uns bewusst keinen Zeitdruck gemacht, weil eine derartige Umstellung einfach dauert. Unser Ziel als MVG und auch die Motivation für diesen aufwendigen Prozess lag darin, eine sichere Informationsqualität gerade bei den Preisen von Monopolprodukten zu gewährleisten.
Wie sieht diese Struktur aus? Welche Informationen sind jedenfalls hinterlegt, gibt es dazu auch optionale Informationen wie Bilder, alte EAN-Codes etc.?
JS: Grundsätzlich enthält die Datei Produktbeschreibung, aktuelle EAN-Codes und Preis. Bilder können verlinkt werden, sind von den Großhändlern derzeit jedoch noch nicht in den ZAS eingetragen worden. Alle alten EAN-Codes sind in den Kassensystemen gespeichert.
Ist die EUCEG-Meldung bzw. die Registrierungsnummer hinterlegt? Die AGES scheint Produktanmeldungen ja öfters nicht zu finden und will dann Trafikanten dafür bestrafen.
HH: Der ZAS ist für die EUCEG-Meldung eingerichtet, derzeit ist diese Meldung vom Großhandel noch nicht eingetragen. Daswäre eventuell ein Thema für eine spätere Erweiterung.
Verändern sich durch ZAS bisherige Zuordnungen von Produkten zu Warengruppen?
JS: Ja. Es war uns deshalb ja auch wichtig, uns mit dem Großhandel auf eine gemeinsame Zuordnung zu einigen.
Es gibt die Befürchtung, dass die Trafiken für die MVG noch transparenter werden oder die Monopolverwaltung mit Daten aus dem ZAS handeln könnte.
HH: Es gibt immer wieder das Gerücht, dass wir die Verkäufe von Nebenartikeln über den ZAS erheben. Das ist falsch. Der ZAS regelt einen Standard für die Stammdatenstruktur und stellt sicher, dass die richtigen Preise für Monopolprodukte in die Kassen eingespielt werden. Wir stellen Daten für die Kassenhersteller bereit; aus den Trafiken erreichen uns keine eventuell sensiblen Informationen.
Fragen an CWL-Geschäftsführer Michael Steinlechner
Welche Vorteile bietet der Zentrale Artikelstammfür Kassenprovider und Trafiken?
Das Projekt Zentraler Artikelstamm bietet für Großhandel, Kassenhersteller und Trafikantinnen und Trafikanten den Vorteil, dass die Informationen zu den verkaufbaren Produkten an einer zentralen Stelle zusammenlaufen und auch von dieser abgeholt werden können. Großhändler übermitteln die Informationen an die MVG als zentrale Stelle, und die Kassenanbieter holen wiederum die Information von der MVG ab und stellen Sie danach den Trafiken zur Verfügung. Der Prozess wird somit deutlich vereinfacht. Ich möchte auch gleich an dieser Stelle betonen, dass es sich beim Zentralen Artikelstamm um eine Einbahn handelt, es werden nur Informationen zu den Trafikantinnen und Trafikanten übermittelt und keinerlei Informationen aus den Geschäften abgeholt.
Waren Sie an der Konzeption beteiligt?
Als CWL waren wir von Beginn an in das Projekt involviert und haben stets versucht, unsere langjährige Erfahrung und Kompetenz im Bereich der Kassenprogrammierung und Preiswartung einzubringen.
Arbeiten Ihre Kassen bereits mit dem ZAS?
Wir haben den Zentralen Artikelstamm bereits bei einer Reihe von Kunden im Einsatz. Wie bei allen Projekten dieser Größenordnung achten wir darauf, insbesondere zu Beginn, die Ausrollung in kleineren Schritten vorzunehmen, um eventuell auftretende Herausforderungen noch rechtzeitig angehen zu können.
Fragen an edgar:trafik-Entwickler Paul Palaszewski
Waren Sie an der Konzeption beteiligt? Falls nein: Was würden Sie sich anders wünschen?
Die MVG hat das Projekt vor ca. drei Jahren mit den damals wichtigsten Kassenherstellern CWL und Toptech gestartet. Wir wurden nicht eingebunden, nur mehrfach explizit ausgeladen. Einerseits verständlich, dass die MVG dieses Projekt erst mal abschließen wollte, bevor sie bereit für Änderungen oder Erweiterungen ist oder um einen neuen Kassenhersteller aufzunehmen.
Praktisch haben Sie damit aber einen massiven Innovations-Stopp ausgelöst. Baustellen, die wir im März 2023 kommuniziert haben, sind weiterhin alle ungelöst:
Jeder Artikel, der bei mehreren Händlern erhältlich ist, steht im ZAS auch mehrfach. Was passiert, wenn man den 1:1 importiert? Statt eines Artikels mit zwei oder mehr Lieferanten hat man Duplikate, und diese Duplikate verursachen in jeder Trafik Probleme im Verkauf, Lager und Einkauf. Artikel über EAN zusammenzufassen wäre ein naheliegender Lösungsansatz, aber leider ändern sich in der Tabak-Branche EANs so oft, dass sie als eindeutiges Kennzeichen nicht nutzbar sind. Ein anderer Lösungsansatz wäre, die eindeutige EUCEG-Nummer mitanzuführen. Diese Nummern werden auf der Großhandelsseite gesammelt, aber nicht an Kassenhersteller weitergegeben.
Gebindebezeichnungen sind weiterhin nicht standardisiert. Das gibt es in keiner anderen Branche – also weder, dass man sich nicht auf gemeinsame Gebindebezeichnungen einigen kann, noch, dass es eine Partei gibt, die die Gespräche darüber aktiv blockiert. Verkaufseinheiten kommen im ZAS nicht vor.
Aber das Thema, das uns am meisten ärgert, weil es so billig zu lösen wäre: Jeder Großhändler hat einen Webshop mit Bildern und Beschreibungen seiner Artikel. Nichts davon kommt in den ZAS. Wir haben in den letzten acht Monaten (seit edgar:trafik allgemein verfügbar ist) allein zwölf Projekte gesehen, die nichts weiter tun, als diese Stammdaten mühseligst händisch nachzupflegen. Lieferanten aller anderen Branchen freuen sich, Händler mit verkaufsfördernden Maßnahmen zu unterstützen. Nicht so beim Tabak.
Fragen an Postronik-Geschäftsführer Manfred Niehsner
Waren Sie an der Konzeption beteiligt?
Postronik war von Anfang an der Konzeption des ZAS aktiv beteiligt und hat auch mit der Trafik Andreas Schiefer in 1020 Wien den ersten Beta-Kunden für den ZAS freigeschaltet.
Wie geht man mit Nebenartikel-Einkaufspreisen um, wenn diese individuell hinterlegt sind? Überspielt ein Update dann die manuell angelegten Preise? Oder lässt sich das im System verhindern?
In unserem System können die Trafikanten frei einstellen und auch pro Artikel individuell bestimmen, ob Einkaufspreise und Verkaufspreise aus dem ZAS übernommen werden sollen. Nebenartikel werden niemals automatisch im Zuge einer Preisänderung übernommen.
Arbeiten Ihre Kassen bereits mit dem ZAS?
Wir haben bereits mit Ende April all unsere Kunden auf den ZAS umgestellt. Alle Preisänderungen seit dem großen Update Anfang Mai wurden bereits aus dem ZAS übernommen.
Fragen an TopTech-Geschäftsführer Tobias Drexel
Waren Sie an der Konzeption beteiligt?
Von Anfang an waren alle Kassenhersteller in den Prozess eingebunden. Gemeinsam wurden in zahlreichen Sitzungen die Datenqualität, der Ablauf und viele weitere Aspekte bis hin zur Auslieferung besprochen und geplant. Die MVG ging sehr offen auf alle Beteiligten zu. Dadurch war die Zusammenarbeit stets transparent und zielorientiert.
Wie geht man mit Artikeln um, die es bei mehreren Großhändlern gibt? Werden diese mehrfach angelegt? Ist der „führende“ GH, also Importeur und/oder Produktanmelder, gekennzeichnet?
Bei Toptech entscheidet der Trafikant selbst, welchen Hauptlieferanten er wählen möchte. Artikel können von mehreren Lieferanten importiert werden. In der Warenwirtschaft können zusätzliche Einstellungen für Haupt- und Nebenlieferanten vorgenommen werden.
Arbeiten Ihre Kassen bereits mit dem ZAS?
Aktuell befindet sich Toptech im Live-Test. Die MVG wird demnächst alle Trafikanten über den ZAS und die Auslieferung informieren. Ab diesem Zeitpunkt planen wir, innerhalb von drei Monaten schrittweise alle Kunden umzustellen.
Sämtliche Interviews wurden deutlich gekürzt – die Vollversion finden Sie auf sechs Seiten in der druckfrischen Printausgabe von TRAFIK aktuell.